Flüchtlingsschicksale in der lateinischen Dichtung als Denkanregung für junge Schweizer SchülerInnen – Olivier Fischer, Lilith Schmid und Raphael Guido Preisträger im 4. Certamen Helveticum
Auch dieses Jahr nahmen die IB-LateinschülerInnen der 5. Klasse teil am Essaywettbewerb des Schweizerischen Altphilologenverbands.
Die Herausforderung war eine persönliche inhaltliche und sprachliche Auseinandersetzung mit einer Szene in Vergils Aeneis: die Königin von Karthago wird von trojanischen Flüchtlingen um Hilfe gebeten und gewährt sie. Wie kann dieser Text zu uns sprechen? Welche Anregungen für unser Denken und Handeln im Umgang mit Flüchtlingen lassen sich finden?
Der Sieger Olivier Fischer, der sich im kommenden Schuljahr auf das Higher Level Latin IB Examen vorbereitet, endet sein Essay mit folgenden Worten: „Flucht als urmenschliches Verhalten kann in verschiedenen Zusammenhängen auf das gleiche Grundmuster reduziert werden. Aus dem mythologischen Kontext der Aeneis lassen sich im modernen Zeitalter zahlreiche Parallelen ziehen, besonders in Bezug auf die Umstände einer Flucht oder das Verhalten eines Gastgebers. Ange-sichts der grossherzigen Behandlung der Troer sehe ich Verbesserungspotenzial in der Handhabung der heutigen Flüchtlingsproblematik.
Didos Selbstlosigkeit bildet einen starken Kontrast zu modernen Staaten, in denen Menschenleben oft quantifiziert und in Relation mit dem wirtschaftlichen Nutzen gestellt werden.
Generell scheint mir der finanzielle Aspekt in der aktuellen Debatte überhand zu nehmen. Eigenschaften wie Gastfreundschaft und Empathie haben keinen monetären Wert und werden so vielerorts vernachlässigt. Allerdings sind genau diese Tugenden essentiell in einer funktionierenden multikulturellen Gesellschaft und würden beschriebenem Misstrauen entgegenwirken.
Persönlich nehme ich mir in dieser Hinsicht Ilioneus‘ Worte „propius res aspice nostras“ (V. 526) zu Herzen; unvoreingenommenes Urteilen ist für ein friedliches Zusammenleben unerlässlich. Als Denkanstoss zur Vermeidung von Vorurteilen und Unterstellungen möchte ich mit einer passenden bekannten lateinischen Maxime abschliessen: „in dubio pro reo“.“
Die Schule freut sich, dass dieses Jahr alle drei Preise von SchülerInnen des LG gewonnen wurden:
1. Preis: Olivier Fischer
2. Preis: Lilith Schmid
3. Preis: Raphael Guido
Wir gratulieren sehr herzlich und danken dem SAV für diesen wertvollen Impuls. Es erlaubte uns die starke Lateintradition des LG zu verbinden mit unserer Unesco-Kultur.
Bereits 2013 und 2015 ging der erste Preis an Schülerinnen des LG. Diese siegreichen Arbeiten können online unter <link http: www.philologia.ch schule certamen.php>www.philologia.ch/Schule/certamen.php gelesen werden und das Essay von 2017 demnächst auch.
Margaretha Debrunner