Vom 6. bis zum 12. April 2014 war das Orchester der Gymnasien Rämibühl zu Gast in Berlin. Zusammen mit dem Orchester, dem Chor, der Gruppe Darstellendes Spiel und zwei Tänzern des Albert-Einstein-Gymnasiums Berlin-Neukölln gestalteten wir ein szenisches Programm unter dem Titel "requies aeterna". Anlass für dieses "Requiem" war der Beginn des Ersten Weltkriegs, der sich heuer zum hundertsten Mal jährt. Das von Jochen Settili, dem charismatischen Musiklehrer des Albert-Einstein-Gymnasiums, und seinem Kollegen, dem Theaterpädagogen Sébastien Bralant zusammengestellte "Gesamtkunstwerk" thematisierte den Krieg im Allgemeinen, seine Entstehung aus menschlichen Konflikten und seine verheerenden Folgen für das Individuum. In dichter Folge wechselten Musikstücke (teilweise getanzt) und dramatische Sketches ab oder wurden übereinander gelagert. Die dramatisierten Texte stammten von Heinz Pangels ("An die Schwachen"), Wolfgang Borchert ("Die Kegelbahn") oder waren von den Berliner SchülerInnen im Kollektiv selbst erarbeitet worden. Komponisten von Beethoven über Brahms bis Lili Boulanger, Joaquín Rodrigo, Karl Jenkins und unserem ehemaligen Kantonsschüler Emanuel Hurwitz erklangen in einzelnen Sätzen. Das vereinigte Berliner und Zürcher Schulorchester spielte auf der Bühne, vom darstellenden Spiel durch einen Tüllvorhang getrennt, der durch wechselnden Lichteinfall transparent gemacht wurde oder das Orchester den Blicken des Publikums entzog. Die drei professionellen Bühnentechniker und die üppige Beleuchtungs- und Toneinrichtung im Saal des Gemeinschaftshauses Gropiusstadt Neukölln machten noch viel andere szenische Effekte möglich und garantierten einen reibungslosen Ablauf der Show.
Mit solchen Patchwork-Programmen können wir unsere Orchestermitglieder auch an Werke heranführen, die in integraler Aufführung jenseits des technischen Horizonts von Laienmusikern liegen. Beeindruckend waren in Neukölln zwei Sätze aus dem DEUTSCHEN REQUIEM von Johannes Brahms: Chor (Einstudierung: Uwe Fischer) und Orchester, beide "autochthon" aus Zürcher und Berliner SchülerInnen bestehend, darüber der sonore Bariton von Claudio Danuser, Musiklehrer am LG: "Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir habe muss!" Aber auch die Berührung von Musik und Szene erschloss unseren MusikerInnen neue Horizonte: weil sie nicht im Orchestergraben versenkt waren, waren sie ins szenische Geschehen integriert und nahmen Anteil an demselben. Besonders der Tänzer Elia Patrizi, Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums, beeindruckte durch sein Sterben in Joaquín Rodrigos CONCIERTO DE ARANJUEZ (den Solopart spielte der Gitarrist Alexander Gil 5d RG souverän!) oder seine Sprünge als Prometheus in Beethovens gleichnamiger Ouvertüre. Im Zusammenhang mit dem Kriegsbeginn 1914 stellte sich da die Frage: War es richtig, dass Prometheus den Menschen das Feuer brachte?
Neben der anstrengenden Probenarbeit und den 50-minütigen U-Bahnfahrten quer durch Berlin blieb den Orchestermitgliedern noch Zeit für Sightseeing und Gesellschaftliches: Die Berliner Philharmonie besuchten wir und hörten dort ein Lunchkonzert, im Reichstag erklommen wir die Glaskuppel wurden im Plenarsaal als "Aussereuropäische" begrüsst, eine Spreefahrt von der Oberbaum- zur Hansabrücke zeigte uns das Zentrum Berlins und seine architektonische Vielfalt vom Wasser aus. Gemeinsame Nachtessen, auch mit den Berliner SchülerInnen, sorgten für fröhliche Stimmung und förderten die Kameradschaft unter den Teilnehmern der Reise und ihren Gastgebern. Auch für individuellen Ausgang und Shopping gab es genügend Raum. Nach der achtstündigen Bahnreise nach Zürich am Samstag trugen unsere SchülerInnen Souvenirs und viele schöne Erinnerungen nach Hause. Zwischenfälle gab es auf der Tournee keine, alle sind wohlbehalten zuhause angekommen. Die Orchesterleiter Marc Brühlmann und Martin Lehmann, sowie die Begleiter Claudio Danuser und die aus Paris angereiste Zürcher Violoncellistin Eleonore Willi danken allen Teilnehmern dieser Orchesterreise für ihren Einsatz und ihre Disziplin! Besonderer Dank gebührt auch unseren Berliner Gastgebern, allen voran Jochen Settili, der mit unermüdlicher Initiative und totalem Einsatz dieses Projekt möglich gemacht hat.
Der Sacha-Stiftung und dem VEGL danken wir für die grosszügige finanzielle Unterstützung.
Martin Lehmann