Likrat: In Begegnung lernen

Wie ist das wohl mit Sport und Handygebrauch am jüdischen Ruhetag Schabbat? Wie klingt es, wenn aus der Tora vorgesungen wird? Wann zieht man eigentlich eine Kippa an und weshalb müssen nur die jüdischen Männer ihre Köpfe bedecken? Und halten sich alle Jüdinnen und Juden streng an die Speisevorschriften?

Diese Fragen und viele mehr durften wir am Dienstag, 8. Dezember 2020, Ari und Yonathan, zwei jüdischen Jugendlichen aus dem Projekt Likrat, stellen. Sie besuchten uns im Religionsunterricht der ersten Klassen und erzählten aus ihrem Leben als jüdische Jugendliche.

Mit ein paar Fragen an die Religionsschüler*innen beginnen Ari und Yonathan die Begegnung und fragen, wer Jüdinnen und Juden kenne oder schon einmal mit welchen gesprochen habe. Die beiden 20-Jährigen sind in Zürich aufgewachsen und zur Schule gegangen und beide sind in ihrem Zwischenjahr nach der Matura nach Israel gereist.

Wir lernen, dass jüdisches Leben viele Facetten hat und dass die Ge- und Verbote in verschiedenen Familien ganz unterschiedlich gehandhabt werden. Yonathan und Ari halten den Schabbat als Ruhetag ein und erzählen uns von erholsamen Tagen ohne den Gebrauch elektronischer Geräte und ohne Arbeit, dafür mit Fussballspiel mit Freunden.

Auch auf die Familien der beiden Likratinos kommen wir zu sprechen. Auf die Frage hin, ob sie in ihrer Familie noch Holocaustüberlebende hätten, erfahren wir, dass Yonathans Grosseltern in einem Arbeitslager geboren wurden und über diese Zeit kaum sprechen und Ari erzählt von seiner Urgrossmutter, die in Frankreich ihren Pass fälschen musste, um im Zweiten Weltkrieg als Jüdin nicht erkannt zu werden. Wir blicken auf ein Blatt mit der Kopie zweier Pässe der Urgrossmutter Aris und versuchen herauszufinden, welche der beiden Pässe die gefälschte carte d’identité ist und was genau verändert wurde.

Nach der ersten Hälfte der Doppellektion liegen bereits einige Gegenstände vor uns auf dem Boden ausgebreitet, so zum Beispiel verschiedenfarbige Kippas, sogar eine mit dem Emblem einer kanadischen Eishockeymannschaft. Auch ein Schofar, ein Widderhorn, das am Sühnetag Jom Kippur geblasen wird. Einige Schüler würden gerne ausprobieren, ob sie einen Ton aus dem Horn herauskriegten, doch Corona verunmöglicht diesen Versuch. Eine kleine Torarolle ist ebenfalls unter den Gegenständen, die Yonathan und Ari uns mitbringen. Auf die Frage hin, wie das klinge, wenn aus der Tora vorgelesen werde, rezitiert Ari den Teil, den er für seine Bar Mizwa lange geübt hat und noch immer auswendig weiss. Die melodischen althebräischen Klänge bringen uns dazu, mehr über die hebräische Sprache und Schrift wissen zu wollen und Ari gibt uns anhand der ersten beiden Buchstaben des hebräischen Alphabeths, Aleph und Beth, eine kleine Einführung ins Hebräische. Die Aufgaben eines Toraschreibers kennen die Schüler*innen bereits aus dem Unterricht und so ergeben sich Fragen um Fragen.

Ein Schlussquiz und der Verzehr koscherer Gummibärchen runden die Begegnung mit den beiden Likratinos ab. Wir bedanken uns bei Likrat für das Ermöglichen dieser besonderen interkulturellen Begegnung. Und ganz herzlich danken wir Ari und Yonathan für ihren Besuch und die Einblicke, die sie uns in ihr Leben, ihre Kultur und ihre Religion ermöglichten.

 

Michèle Wenger
Fachschaft Religionen und Ethik