Personal Project in Indien

Erlebnisbericht

Für die Durchführung meines Personal Projects habe ich mich nach langem Hin-und-Her, Absagen von unpassenden Projekten und ca. 20 Mails dazu entschieden, in Mumbai mit der Organisation NSPA zu arbeiten. Es war eine wunderbare Erfahrung, die mir sicher für immer in Erinnerung bleiben wird.

Die NSPA ist eine Organisation, die im Jahr 2012 gegründet wurde. Die Abkürzung NSPA steht für National Streets for Performing Arts. Ihr Ziel ist es, Musik an öffentliche Orte wie Buchläden, Strassen und in die Schule zu bringen. Unterdessen gehören über 30 Künstler und Sänger mit Instrumenten aller Art und verschiedener Genres zum Team. Ich durfte mit Tanvi, einer der jungen Frauen im Büro, die auch meine Betreuerin für die Zeit in Mumbai war, arbeiten. Geplant für mich waren die Gestaltung von Postkarten, die Aufnahme von Podcasts und sogar ein Live-Auftritt.

Anfangs hatte ich etwas Mühe, mit der neuen Umgebung und dem Englisch zurechtzukommen. Da es das erste Mal war, an dem von mir Kreativität auf Knopfdruck gefragt war, war ich mir nicht sicher, ob ich den Erwartungen der Teammitglieder entsprach. Durch ihre Offenheit und geduldige Unterstützung, habe ich aber schnell an  Sicherheit gewonnen.

Näher erzählen möchte ich vom 24.09, meinem dritten Tag mit der NSPA. Ich musste um zehn Uhr morgens in Andheri East sein. Andheri liegt auf der anderen Seite von Mumbai, verglichen mit der Lage meines Wohnorts. Um durch die Stadt hindurch zu kommen brauchte ich ca. 90 Minuten... Generell ist es schwierig, schnell von einem Punkt zum anderen zu kommen, denn die Strassen sind durchgehend verstopft. Besitzt man allerdings ein Motorrad, ist man deutlich schneller (Motorräder sind nämlich die Fahrzeuge, mit denen man sich zwischen allen Autos, Lastwagen und Scooter-Riksha (auch bekannt als Tuktuks) hindurchzwängen kann).

In Andheri angekommen lernte ich Dakshina und Mukund kennen. Dakshina spielt alle möglichen Perkussionsinstrumente und Mukund die karnatische Violine. Die karnatische Violine ist der klassischen Violine sehr ähnlich, doch auf der karnatischen Form ist es einfacher die indischen Stücke zu spielen. Zudem ist es üblich, die karnatische Violine sitzend, mit dem Geigenkopf nach unten zu spielen. Die beiden sollten zusammen mit Shrishti, einer der Damen aus dem Büro, ein Wiegenlieg aufnehmen. Es war wichtig, dass das Wiegenlied mit schönen Erinnerungen verbunden war. Shrishtis Lied handelte von Gott Krishna. Sie hat es von ihrer Gesangslehrerin gelernt und verbindet viele positive Erinnerung mit dem Stück.

Im Studio durfte ich miterleben, wie die Aufnahme des Liedes, Stück für Stück, Formen annahm. In einer der Pausen konnte ich für mein eigenes Wiegenlied eine erste Testaufnahme machen. Es war sehr spannend bei der Aufnahme zuzuschauen, allerdings dauerte es eine ganze Weile. Als wir nach ca. sechs Stunden des Aufnehmens aus dem Studio kamen, war ich schon ziemlich erschöpft... Doch der Tag war noch lange nicht zu Ende! Als nächstes stand nämlich der Videodreh zum aufgenommenen Wiegenlied auf dem Plan. Die Fahrt nach Chembur, welches ungefähr eine halbe Stunde entfernt war, unternahmen wir mit meinem liebsten Verkehrsmittel in Indien, der Scooter-Riksha! Tanvi, Mukund und ich quetschen uns zu dritt in eine Riksha (das scheint schon beinahe unmöglich, doch die Inder teilen sich eine Riksha in der Regel zu fünft!). Mukund musste sich vor dem Videodreh noch umziehen, weshalb er uns mit zu sich nach Hause nahm. Von seiner Mutter haben wir doch tatsächlich Toblerone bekommen!

Das Video sollte bei Shrishtis Gesangslehrerin aufgenommen werden. Sie war sehr freundlich und der Dreh verlief perfekt. Besonders schön an der Aufnahme fand ich die Stelle, an der die vier Musiker, die schon oft zusammen musiziert hatten, begannen zu improvisieren. Das spontane „Jamming“ hat allen sehr Spass gemacht. Danach hat uns die Lehrerin etwas zu essen angeboten und nach diesem anstrengenden Tag hat natürlich niemand Nein gesagt. Sie brachte uns gewürzten Reis mit Mango Chutney und Joghurt. Es war lecker und ich habe es sehr genossen...bis zu dem Punkt, an dem sich die Schärfe bemerkbar machte. Ich habe von Auntie (so nennen Inder nicht allzu enge weibliche Bekannte, in diesem Fall die Lehrerin) Joghurt mit Zucker bekommen, was mich sofort gerettet hat. Meine Reaktion auf das scharfe Essen hat zur allgemeinen Erheiterung beigetragen. Es war ein Tag voller toller, neuer Erfahrungen und Eindrücke.

Am Sonntag der ersten Woche war ein Konzert in einer Einrichtung namens Hive. Ich durfte mit vier Musikern proben, Mukund, Dakshina und Anusha und Rachel, die ich an früheren Proben bereits kennengelernt hatte. Wir hatten an meinem eigenen Wiegenlied gearbeitet, einem russischen Lied, welches wir oft in der Pfadi singen. Ich durfte an diesem Abend mit ihnen allen zusammen auftreten. Trotz meiner riesigen Aufregung ging zum Glück alles gut. Ebendieses Wiegenlied konnte ich mit anderen Musikern im Studio als Podcast aufnehmen. Auch die Postkarten habe ich abgegeben und zum Glück haben sie allen gut gefallen.

Erfahrungen

Ich habe in meiner Zeit in Indien viele neue Erfahrungen gemacht. Welche ich nun wunderschön oder eher schockierend fand, spielt hier keine Rolle. Ich habe das Land, vor allem aber die Stadt Mumbai, lieben gelernt und ehrlich gesagt habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, mein Flugticket zurück nach Zürich zu verschenken, um noch einen Monat länger zu bleiben!

Die NSPA ist meiner Meinung nach eine Organisation, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient, als sie im Moment hat. Ich habe diese jungen Menschen im Büro  gesehen und was sie alles zu neunt auf die Beine stellen und organisieren ist unglaublich. Überhaupt habe ich diesen zwei Wochen so viele tolle Persönlichkeiten kennengelernt und eine einmalige Möglichkeit nutzen können, mit Einwohnern von Mumbai die Stadt aus deren Sicht kennenzulernen. Sogar auf eine Zugfahrt hat mich Tanvi mitgenommen! Leider kam ich nicht dazu aus den offenen Zugtüren zu lehnen... Da ich mich immer nur auf Englisch mit den Leuten unterhalten konnte, hat sich auch mein Englisch sehr gebessert (Information beruht auf Zeugenaussagen!)

Auf der anderen Seite war ich ein wenig enttäuscht. Eigentlich hatte ich erwartet, die NSPA würde mehr mit Schulen und Menschen der niedrigsten Gesellschaftsstände interagieren. Als ich dort war, haben nur Aktionen an Orten stattgefunden, zu denen zum Beispiel die Slumbewohner keinen direkten Zugang hatten... Da ich mich sehr auf solche Aufgaben gefreut hatte und der Meinung bin, dass eben diese Menschen die Musik am meisten nötig hätten, wurden meine Erwartungen in diesem Zusammenhang leider nicht erfüllt...

Trotzdem, mein Aufenthalt hat mich vieles gelehrt und ich bin vielleicht doch nicht unglücklich wieder hier zu sein, denn in Indien ist das Leben viel schwieriger und definitiv komplett anders.

India Matheson, 4b