„Ich glaube, der Sinn der Literatur liegt nicht darin, dass Inhalte vermittelt werden, sondern darin, dass das Erzählen aufrecht erhalten wird. Weil die Menschen Geschichten brauchen, um überleben zu können, nur das Leben, das man sich selbst erzählen kann, ist ein Sinnvolles.“
Peter Bichsel, Zimmer 202 (2010)
Peter Bichsel hat stets betont, wie wichtig ihm das blosse Erzählen ist. Er ist auch überzeugt, dass der Mensch Geschichten braucht, um nachzudenken, Ruhe zu finden, unterhalten zu werden und nicht zuletzt, wie oben erwähnt wird, um zu überleben. Wenig verwunderlich stand die Lesung am 19. September ganz im Zeichen des Erzählens. In 45 Minuten präsentierte Bichsel fünf Kolumnen - unter anderem Texte wie „Im Hafen von Bern im Frühling“ oder „Vom Stier, der auch nur ein Mensch war“ - und Kürzestgeschichten. Ein Beispiel der letzteren Textsorte:
Eine Frau
Die dreijährige Nora hat sich was angeschaut, nämlich jene Bewegung des Kopfes, mit der sich jene Frau die Haare aus dem Gesicht wirft.
Nun tut sie das auch - für ihr ganzes Leben - und ist auch eine Frau.
Peter Bichsel, Zur Stadt Paris (1993)
Die etwa 400 anwesenden Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen waren begeistert von den Bildern und Begegnungen, die der Altmeister der Kurzprosa zum Besten gegeben hat. Natürlich bot sich den Anwesenden auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Peter Bichsels Überlegungen zu seinen Geschichten und Meinungen zum Alltagsgeschehen zu hören. „Optimisten haben die Welt zerstört!“ Speziell die Aussage, dass er ein überzeugter Pessimist sei, wirkte nach und wird auch nachträglich ausführlich in den Deutschlektionen diskutiert.
Fabian Jud
Fachschaft Deutsch