Mit einer Organisation namens CAS (Costa Rica Austausch Service) begab ich mich am 16. Juli 2021 auf ein grosses Abenteuer: mein Austauschjahr. Voller Vorfreude und Aufregung sass ich in dem 12-stündigen Flug und malte mir aus, wie meine erste Begegnung mit meiner Gastfamilie wohl sein würde; wie ich mit dem Spanisch klarkommen würde und wie mein Leben aussehen wird.
Die deutsche Organisation mit ca. 40 Austauschschüler:innen pro Jahr ist verhältnismässig klein. Dies war einer der Gründe, weshalb ich sie wählte. Sie wirkte sehr familiär und das gefiel mir. Vor allem aber hatten mich die vielen Umwelt- und Sozialprojekte überzeugt, die sie im Angebot haben. So konnte ich einige meiner besten Erfahrungen meines Lebens sammeln: In einer Tierauffangstation mit Faultieren, Waschbären, Affen und vielen weiteren Tieren arbeiten; Schildkrötenbabies schlüpfen sehen und ihnen helfen, den Weg ins Meer zu finden; auf einer Finca(Bauernhof) leben, mitarbeiten und traditionelle Gerichte kochen; in einem lokalen Kindergarten arbeiten – und nicht zu vergessen die Surfcamps!
Natürlich sah nicht das ganze Jahr so aus, wie ich es eben beschrieben habe. Es gab auch normale, unspektakuläre Tage, wie man sie auch zuhause in der Schweiz erlebt. Das ist normal und auch gut so. Anfangs war alles neu und aufregend, doch irgendwann gewöhnte ich mich an das neue Leben. In Costa Rica wird eine ganz andere Kultur gelebt als hier in der Schweiz. Es gibt viele Unterschiede: beispielsweise der christliche Glaube viel stärker verbreitet; jeden Nachmittag trinkt man gemeinsam Kaffee; sogar zum Frühstück isst man Reis mit Bohnen; man duscht immer am Morgen und sicher nicht am Nachmittag; alle besitzen Hunde und besuchen die Familie sehr oft – und allgemein ist die Familie sehr wichtig. Doch ein Unterschied habe ich besonders wahrgenommen: In Costa Rica leben die Menschen mehr im Hier und Jetzt und planen weniger. Alles ist irgendwie spontaner und weniger zukunftsorientiert. Klar führt Planen auch zu Produktivität und Zielstrebigkeit, was sehr gut und wichtig ist, doch irgendwie mag ich die Einstellung und denke, gewisse Schweizer:innen könnten sich gut eine Scheibe davon abschneiden.
Es gibt natürlich auch Aspekte, die mir negativ aufgefallen sind – wie zum Beispiel das Frauenbild und die nicht immer vorhandene Sicherheit, speziell für Frau. Oft – zu oft – wurde ich von Männern angepfiffen, mir wurde hinterhergerufen oder es wurden mir unangenehme Blicke zugeworfen. Schon von klein auf wird den Mädchen beigebracht, nicht allein im Dunkeln herumzulaufen und jeden Tag sagte meine Gastmutter zu mir: “Cuídate” (Pass auf dich auf). Ich lernte die Sicherheit der Schweiz zu schätzen und bin extrem dankbar, hier leben zu dürfen.
In der Schule wurde ich sehr herzlich aufgenommen und meine Schulkamaraden:innen waren immer sehr interessiert an meiner Kultur. Costaricaner:innen sind generell offen und grundsätzlich sehr fröhlich. Sie integrierten mich super in die Klasse und ich habe einige sehr enge Freunde gefunden, mit denen ich immer noch regelmässig in Kontakt bin. Auch Spanisch lernte ich schnell und erstaunlich gut; nach etwa drei Monaten konnte ich mich gut verständigen. Auch wenn ich Momente hatte, in denen ich kein Spanisch mehr hören wollte, überwiegen die Erfolgsmomente, in denen ich überglücklich war. Ich denke, man lernt im Leben nie wieder so schnell Sprache wie in meinem Alter. Hoffentlich ist es etwas, was mir für immer bleiben wird. Obwohl ich es – seitdem ich zurück bin – natürlich nicht ansatzweise so viel spreche wie in Costa Rica, bin ich erstaunt, wie viele Leute auch hier Spanisch sprechen und wie oft ich die Sprache in der Schweiz gebrauchen kann.
Ich kann nur jeder Person, der die Möglichkeit geboten wird, empfehlen, einen Austausch zu machen. Es ist eine unglaubliche Erfahrung!
Lisa Leutenegger, Klasse 4b