Wirtschaftswoche der Ernst Schmidheiny Stiftung in Magliaso (TI)

Sonntagnachmittag. Ungefähr 80 Schüler versammelten sich am Hauptbahnhof, um in die Wirtschaftswoche ins „Centro Evangelico“ nach Magliaso zu reisen. Lange schon wussten wir von dieser Woche, diesem Ereignis, welches uns sehr viele neue Erfahrungen versprach. Nur erkannten wir damals nicht, wie viele es tatsächlich werden würden.
Der Zug war voll, die Gänge vollgepackt mit Koffern und Taschen. Laute Musik in dieser Situation?! Auf jeden Fall! Warum nicht gleich zwei dröhnende Boxen auf einmal? Obwohl sich die ältere, betagtere Generation (aka die Klasse 5b) lautstark über diese „unverschämten lauten Kinder“ echauffierte, kamen wir doch schon bald im idyllischen Magliaso am Lago die Lugano, unweit von Lugano, an. Die kräftezehrenden 15 Minuten Fussweg samt Gepäck, welche laut Begleitbrief von der Station zum Centro zu bewältigen anstanden, waren nicht gelogen... Bevor wir unsere Zimmer beziehen durften, mussten wir uns alle für ein Riesenfoto aufstellen, auf welchem mit 100%iger Sicherheit nicht alle zu sehen sind. Naja, dabei sein ist doch alles, oder? Die Zimmer stellten sich als sehr gemütlich heraus, vor allem das inwendig per Leiter erreichbare Zwischengeschoss stiess in unseren Kindsköpfen auf grosse Begeisterung. Am glücklichsten aber waren wir über die „Zimmereinteilung“, die wir – in der Feinverteilung – selber vornehmen durften. Liebe Lehrer, wir hätten natürlich immer Wege gefunden, uns nach eigenen Vorstellungen mit unseren FreundInnen einzuquartieren!
In unserer Freizeit vor dem Znacht erkundeten wir das Gelände, entdeckten den hübschen Zugang zum See und nahmen Kenntnis von den verschiedenen Möglichkeiten für sportliche Aktivität (Beachvolleyballfeld, Fussballfeld, grosse Spielwiesen etc.). Die Lasagne am Abend schmeckte nicht allen gleich gut, aber unsere hungrigen Mägen waren nach diesem langen Tag nicht mehr sehr pingelig. Danach waren wir frei von jeglichen Pflichten, etwas, das wir bald schätzen lernten angesichts der langen Abende mit Bergen von Arbeit. Der Montagmorgen war frisch und wenn man die Fenster öffnete, zwitscherten den Bewohnern hunderte von Singvögeln ihr Konzert in die Ohren. Es gab ein reichhaltiges Frühstück (verglichen mit den bekannten Verhältnissen einer Mensa), bestehend aus verschiedenen Müesli, Joghurt, Früchten und Kaffee. Die Vermutung erhärtete sich, dass dieser Montag der letzte Tag war, an dem der Kaffee nicht vollständig ausging...
Um 08.00 Uhr fanden wir uns gemäss Anweisung der Lehrer im im Saal des Hauses „Paradiso“ ein. Wir machten uns auf den Weg, ein Unternehmen zu gründen, ihm einen Namen zu geben, mit Geld zu handeln, und, und, und. Tatsächlich wurden alle diese Vorgaben erfüllt, und unsere Fachlehrer machten einen tollen Job, uns, den Betriebswirtschaftslaien, die Sachverhalte zu erklären und den Weg zu weisen.
Wir bekamen gruppenweise einen Raum zugewiesen, nachdem wir die Entscheidung über das zu verkaufende Produkt gefällt hatten. Tja, bei einer Frauenquote von über 50 Prozent – was soll man machen – fiel die Wahl in unserer Klasse auf Schuhe. Sofort ging die Diskussion um die Produktenamen los und nach ca. 15 Minuten standen die Titel der fünf Unternehmen fest: Achill42, Brand Noir, OMNIShoes, Nushu und NOX Footwear würden für diese Woche unsere Kinder werden, die es galt zu pflegen und zu beobachten, stets darauf fokussiert, nichts zu vergessen, alles wenn nötig noch ein viertes Mal durchzurechnen. Und so ging das erste Geschäftsjahr (1 Arbeitstag = 1 Geschäftsjahr) problemlos vorüber.
Dienstag war der Tag, an dem der Kaffeekonsum bei allen ruckartig zunahm – und danach exponentiell stieg, aber das lassen wir beiseite – und an dem die Entscheidungen des Tages für das Unternehmen über die Dauer von 5 Geschäftsjahren am gewichtigsten waren. Zum Glück war das Wetter einigermassen anständig, sonst hätte die verdiente Pause, für die eine sportliche Aktivität geplant war, definitiv weniger Spass gemacht. Der Spaziergang entlang des Sees war wunderschön und beim Volleyball- und Fussballspielen gingen uns endlich einmal die verflixten Zahlen aus dem Kopf. Allerdings hatten bereits einige Unternehmen begonnen, ihre Werbung quer über das halbe Areal zu verteilen, um an Bekanntheit zu gewinnen: so wurden wir doch immer wieder daran erinnert, dass uns schon viele neue Entscheidungen erwarteten. Wir mussten nämlich in jedem Geschäftsjahr eine bestimmte Anzahl Entscheide fällen, so zum Beispiel die Frage, wieviel Lohn das Produktionspersonal erhalten soll oder wie hoch die Zahlungen im Werbebereich sein müssen, damit sich unsere Produkte gut verkaufen und wir fürs nächste Jahr entscheiden können, wie hoch bzw. tief der Preis sein soll und wie viele Maschinen man hierfür zur Produktion dazukaufen kann.
Nach drei Nächten in der Wirtschaftswoche waren Träume mit Zahlen und wirren Vorgängen keine Seltenheit mehr. Doch am Mittwoch war das Programm ein wenig anders als zuvor. Wir mussten das Geschäftsjahr 13 am Vormittag bearbeiten, denn am Nachmittag besuchten wir eine Fabrik. Und zwar nicht irgendeine, denn diese produzierte Kaffee!
Die Welle der Euphorie, die uns übernächtigte Leichen überfiel, als Herr Vittorio Maspoli, der Marketingchef des Familienunternehmens Chicco d’Oro in Balerna verkündete, dass wir gleich zweimal Kaffee konsumieren dürfen, war unbeschreiblich. Die Anlage des Unternehmens war nicht riesig, dennoch waren die Maschinen, die man zuvor höchstens in Geographielehrfilmen in Aktion gesehen hatte, ziemlich eindrucksvoll.  Nach der Kaffeeverkostung entstand doch tatsächlich – nach zwei Jahren wieder einmal (!) – ein Klassenfoto. Erschöpft und nicht gerade bereit für mehr Arbeit, machten wir uns auf den Heimweg. Der Sprung in den eiskalten See ist doch noch erwähnenswert, denn die Temperatur war derart abwegig, dass einem nach einer halben Minute die Beine taub wurden... Zusätzlich gab es Pollen und hinterhältige Ventilatoren, und niemand ist sich deshalb zu 100% sicher, wovon der Schnupfen und das Halsweh kamen.
Der letzte Arbeitstag: Der Tag, an dem wir uns verabschieden mussten von unseren Werbungen, den Produktionsmitarbeitern und vor allem von unserem geliebten Kind, der Firma. Dank dem bittersüssen Konkurrenzkampf wurde es davor aber noch einmal richtig spannend, denn an diesem Donnerstag mussten wir gleich zwei Jahresentscheide für die letzten beiden Geschäftsjahre fällen. Letzte Angriffe um grösstmögliche Produktion und höchsten Marktanteil wurden gestartet – einige erfolgreich, andere weniger... Gleichermassen hat dieser letzte Arbeitstag grossen Spass gemacht, auch wenn die Arbeit nun absolut die Übermacht gewonnen hatte.
Die Rückmeldungen der jeweiligen Gruppen überschneiden sich an den Punkten, die die gute Stimmung und die produktive Teamarbeit loben und von einer tollen Harmonie sprechen. Ein sehr schönes Feedback und auch ein sehr gutes Zeichen für den Klassenzusammenhalt. (Anmerkung der Redaktion: Diese Zeilen entstanden nach Aussage der beteiligten CEOs übrigens spätnachts nach den letzten Unternehmenstätigkeiten – das Folgende darum in Futur.)
Am Freitag werden wir die eigene Generalversammlungen präsentieren und diejenigen der anderen Unternehmen besuchen, packen, den wohlverdienten Apéro geniessen und eine hoffentlich ruhige Heimfahrt über die Runden bringen.
An diesem Punkt möchten wir, die CEOs, uns im Namen der Klasse 5b ganz herzlich bei unseren Fachlehrern Philipp Müller und Urs Strebel bedanken, die uns mit einem tollen Einsatz und viel Motivation gecoacht und uns immer weitergeholfen haben, wenn wir unternehmerisch am Hag standen. Wir hätten es mit den Betreuern nicht besser treffen können. Unser Dank gebührt natürlich auch dem Personal des „Centro Magliaso“, welches mit einer Engelsgeduld die vielen Teenager ertrug und uns nach einem strengen Tag mit reichlich Essen versorgte. Vielen lieben Dank allen Beteiligten!

Die CEOs der fünf Unternehmen der Klasse 5b

Laurent Huber, Andrea Tomio, Lea Schumacher, Billy Neville und India Matheson

Das Literargymnasium Rämibühl führte dieses Jahr die Wirtschaftswoche der Ernst Schmidheiny Stiftung in Zusammenarbeit mit der Zürcher Handelskammer zum 2. Mal durch. Dieses Jahr nahmen vier Klassen, die Klassen 4d, 4e, 5a und 5b, mit 86 Schülerinnen und Schülern teil.
Schulseitig wurde die Wirtschaftswoche von Kerstin Peter, Hansruedi Frey und Manuel Geier und Marc von Moos begleitet.
Als externe Fachlehrpersonen fungierten für die 4d Dieter Hagmann, Markus Turdo und Mathias Daube, für die 4e Dana Prochazka und Bernhard Storz, für die 5a Werner Lamprecht und Heinz Schaffner sowie für die 5b Philipp Müller und Urs Strebel.
Ihnen allen möchte ich als Organisator des LG Rämibühl herzlich für die engagierte Vorbereitung und Durchführung danken. Im Besonderen gebührt Giulia Bonaldi von der Zürcher Handelskammer ein grosses Dankeschön für die wertvolle Federführung im Hintergrund.

Marc von Moos,
Organisation, Lehrer für Wirtschaft & Recht

 

PS: Absolut sehenswert sind die Werbespots der Firmen der Klasse 5b. Besuchen Sie den URL <link http: www.wirtschaftswochen.ch de-ch aktuelle-wirtschaftswochen schuler-unternehmen.aspx>

www.wirtschaftswochen.ch/de-CH/Aktuelle-Wirtschaftswochen/Schuler-Unternehmen.asp

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